Moment mal: Sprachlos

Manchmal verschlägt es einem buchstäblich die Sprache. Da fehlen die Worte, um Gefühle zu beschreiben. Wir sind sprachlos vor Staunen. Wir schweigen aus Verlegenheit, aus Scham. Und dann natürlich auch: Sprachlosigkeit aus Angst: mit zugeschnürter Seele und – in der Bibel kommt das immer wieder vor – einer Zunge, die unangenehm trocken am Gaumen klebt.

Viel reden und damit trotzdem nichts sagen:

"Wem das Herz voll ist, dem läuft's Maul über", das hat der Volksmund ganz schön beobachtet, und bei diesem Sprichwort sehe mich selbst, wie ich in der Küche wische, weil ich mal wieder das Nudelwasser vergessen habe. Eine Riesensauerei.

Mich wundert immer wieder, dass die an Sprachbildern so reiche Bibel über die Kraft der Sprache selbst so wenig sagt. Und das, obwohl sie das Auftreten von Jesus beschreibt als Wirkmacht aus Zeichen und Worten.

Natürlich ist da der große Mythos der Sprachverwirrung – und seine Heilung an Pfingsten mit einer höchst seltsamen Kraft, die Funken und Brücken schlägt. 

Aber wenn Jesus einem Stummen wieder Sprache schenkt, dann ist das nur eine Erwähnung am Rande.

Ich stolpere darüber, weil wir Menschen so oft an Sprachlosigkeit leiden – und auch in dieser Hinsicht ziemlich heilungsbedürftig sind. (Die sehr menschliche Geschichte von Parsifal, der einen Riesenzirkus verursacht, weil er den Mund nicht aufkriegt, die hebe ich mir für ein andermal auf.)

Zuerst hat uns Corona die Sprache verschlagen. Gewissenserforschung: Wie schnell sind wir zurück zu den alten, längst nutzlosen Worthülsen, Erklärungsmustern, geben uns zufrieden mit Floskeln, die alles bedeuten könne und nichts?

Gerade Kirche verspielt in diesen Wochen die einmalige Chance, ihre Sprache zu erneuern: Pastorale Nebelschwaden ziehen durch die vielen digitalen Angeboten. Und oft genug ist das eine Sprache wie aus einer versunkenen Welt oder einer fernen Galaxie.

Frustrierend.

Anstatt unsere Sprache radikal auf den Prüfstand zu stellen und uns zu fragen: Was sagen wir – und wie sagen wirs? Habe ich überhaupt etwas zu sagen – und wie trete ich mit anderen Menschen in Austausch? – glauben wir, dass das schon passen wird, irgendwie. Welch eine naive Hoffnung!

Das Evangelium am Guthirtensonntag erzählte, wie Jesus merkt, dass ihn die Menschen nicht verstehen. Also versucht er es aufs Neue.

Gewissenserforschung: Merken wir's, wenn wir nicht verstanden werden? Und einen zweiten Anlauf versuchen?

Wir sind im Endspurt auf Pfingsten hin. Und sollten uns daran erinnern: Ostern ist erst vollendet, wenn wir eine neue Sprache sprechen.

Eine Sprache, die von allen verstanden wird.

(Clemens Prokop)