Die Kunst der Stunde: Ausdauer

(via Pixabay)
Zu den Segnungen der Corona-Zeit gehört für mich ganz eindeutig: der komplette Ausfall der Elterngespräche in Kindergarten und Schule. Seit klar ist, dass die Zeugnisse leer bleiben werden, ist das Schuljahr sowieso gelaufen. Mir kommt es so vor, als würden alle nur noch Schule spielen. So tun als ob.

Die Luft ist raus.

Aber ich habe ja nur die Eltern-Sicht, noch dazu im Schweizer Schulsystem, und vielleicht regt sich Widerstand bei den hier mitlesenden Pädagogen: und ich betrachte das nur falsch. Dann bin ich froh.

Dass Corona irgendwie vorbei ist, merke ich am Dienstag Nachmittag um 16 Uhr. Durch einen netten Zufall war ich als Gast-Spieler zum Lehrervolleyball gekommen, und jetzt geht das wieder los: eine Stunde Tanz ums Netz, manchmal sogar nur zwei gegen zwei, das tut irre gut – da ist mir doch sowas von egal, wer gewinnt.

Aber puh! und uff!: Gegen Ende des dritten Satzes ging mir die Puste aus. Alter Mann. Hätt' ich Corona so wie die anderen doch nur dafür genutzt, an der Fitness zu feilen!

In diesem Moment musste ich an die recht geduldige Biologielehrerin Frau Hackl zurückdenken, wie sie uns das Wunderwerk des menschlichen Herzens vorstellte, die enorme Leistung dieses Muskels in allen Farben schilderte und dann die Frage in den Raum stellte:

"Wann erholt sich das Herz?"

Das ist mehrere hundert Jahre her, und trotzdem erinnere ich mich noch an die betretene Stille. Keine Ahnung, keine Idee. Sie musste ihre Frage selbst beantworten. Dieser Moment hat mein Leben beeinflusst. Und ich kann es heute noch immer nicht recht glauben: dass der Augenblick zwischen zwei Herzschlägen reicht, um ein Leben lang durchzuhalten.

Wenn wir Menschen nur auch so beständig wären...

Ein Unternehmensberater, der eine Menge Startups betreut, meinte neulich zu mir, er habe null Sorgen, irgendwelche Geschäftsideen auszuplaudern – denn Ideen, sagt er: Ideen an sich haben keinen Wert. Er war da gnadenlos. Ideen haben viele, sagt er, aber den langen Atem für die konsequente Umsetzung, tja, den haben die wenigsten. Daran hapert's. Immer.

Ich habe mir den Satz sehr zu Herzen genommen. Wer immer bei uns Ideen in den Raum wirft, der hat die Aufgabe, auch einen Plan zu entwickeln, wie diese Ideen umgesetzt werden könnten. Und von wem.

Sonst passiert es wie mit so vielem: ein anfängliches Strohfeuer, Begeisterung im ersten Aufbruch. Aber es dauert nicht lang, dann ist der Reiz des Neues verflogen, und eine nach dem anderen hat dann doch Besseres zu tun. Man bleibt zurück, etwas ratlos, ziemlich einsam, und fragt sich: Wo sind sie denn hin, die eben noch so begeisterten Mitstreiter?

(Clemens Prokop)