Die Kunst der Stunde: Freundschaft pflegen

Jede Menge Freundschaftsbänder (via Pixabay)
Elf Freunde sollt ihr sein! Oder doch besser nur fünf? Reichen am Ende gar schon drei Fragezeichen?

"Du könntest auch mal was über Freundschaft schreiben", bat mich Susann. Und ich dachte mir nur: Uff!

Hat dazu nicht Helme Heine schon abschließend alles gesagt?

Oder wenigstens Schiller, Friedrich: "Zu Dionys, dem Tyrannen schlich...", beginnt seine atemlose Ballade "Die Bürgschaft". Und wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wüsste ich jetzt gerne, bei wem es nach diesem Trigger-Anfang im Kopf nicht "Autovervollständigen" macht und das alte Schulwissen automatisch weitergaloppiert:

"...Möros, den Dolch im Gewande; ihn schlugen die Häscher in Bande."

Die Bürgschaft erzählt die Geschichte einer unverbrüchlichen Freundschaft als radikale Absage an jede Versuchung, den eigenen Vorteil zu sichern: Unbedingte Treue und bedingungsloses Vertrauen finden hier zu einem unlösbaren Begriffspaar.

Aber um ehrlich zu sein, der Evangelist Johannes – ein Philosoph der Liebe – hat das viel früher schon zu einer Glücksformel zusammengefasst. Sie ist radikal einfach. Und maximal schwer umzusetzen:

"Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt." (Der Kontext ist hier nachzulesen)

In den Bibel-Übersetzungen wird das Wort "Freund" höchst unterschiedlich gebraucht, das kann der Geliebte sein oder schlicht ein Vertrauter – bei sehr unterschiedlichem Sympathiegrad. Manchmal reicht es schon, kein Feind zu sein.

Bei Johannes bekommt Freundschaft eine völlig neue Dimension. Es könnte einem schwindelig werden.

Dionys, der Tyrann, ist am Ende der Bürgschaft so überwältigt von der freundschaftlichen Treue der Männer, dass er auch mitmachen möchte: "Ich sei, gewährt mir die Bitte..."

Über diese Schlusswendung stolpere ich immer wieder aufs Neue. Was bildet der sich eigentlich ein? Meint er etwa, man könne sich so einfach anmelden zum Freunde-Männerclub?

Ich muss unweigerlich an den frühen Philosophen Reinhard Mey denken:

Mehr als zwei sind eine Gruppe / jeder Dritte hat ein andres Ziel.

Freundschaften, die den Namen verdienen, müssen Wurzeln schlagen und wachsen können.

Freundschaften, die den Namen verdienen, verbinden zwei Menschen: nicht weil die Interessen matchen, sondern weil die gemeinsame Basis trägt.

Freundschaften, die den Namen verdienen, halten räumliche Distanz und zeitliche Trennung aus. Weil sich zwei Menschen sagen: Du bist mir über alle Maßen wichtig.

Und solche Liebeserklärungen macht man nicht mit einem Like-Button.

(Clemens Prokop)