Glauben.Leben (20) – Getragen werden

Es kommt zum Tragen, was uns trägt

Von Michaela Bremer, 
Landpastoral Schönenberg

In dieser besonderen Zeit erleben wir viele Dinge, die wir widersprüchlich empfinden: Wir erleben einen zum Teil entschleunigten Alltag, den wir uns vielleicht schon oft eigentlich ersehnten, und sind zeitgleich innerlich aufgeregt und unruhig. Wir können Stille um uns herum hören, ob in der Natur oder auf der Straße… Und zugleich hat sie auch surrealen Charakter. Über manches, was momentan gerade nicht möglich ist, sind wir vielleicht auch (insgeheim) froh und erleichtert, und zugleich sind unser reduzierter Radius und die eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten eine Herausforderung.

Im Gestalten oder auch Aushalten dieser Spannungen, in die wir hineingestellt sind, kommt im Besonderen zum Tragen, was uns trägt. In meiner beruflichen Aufgabe bin ich mit Menschen in Verbindung, die zu Meditationsabenden oder tagen kommen. Das Üben der Sammlung auf die innere Mitte, die Ausrichtung auf Christus, die Verbundenheit als Menschheitsfamilie und Schöpfung im Atem des Schöpfers, sind Grundpfeiler, die uns im Alltag, aber auch in bedrängten Zeiten innerlich Anker geben.

Gerade wenn viele Dinge nicht in der gewohnten Halt gebenden Ordnung sind, spüren wir, beim "Sitzen in der Stille", dass eine göttliche Ordnung in unserem Inneren wirksam ist. Das Wissen, dass auch andere das innere Gebet pflegen – sei es zur gewohnten Zeit, wenn die Gruppe sich normalerweise träfe, oder eben, dann, wann es möglich ist – gibt Ansporn und Kraft für die manchmal auch notwendige Disziplin.

Ich selbst sehe meinen allerersten Beitrag zu dieser Art von Verbundenheit in meiner persönlichen Treue beim kontemplativen Gebet. Zugleich versuche ich, soweit es möglich ist, auch mit den TeilnehmerInnen in Kontakt zu bleiben. Da freut es schon sehr, wenn jemand, der aufgrund beruflicher Veränderung nicht mehr zur Gruppe kommen konnte, sich nach Jahren einfach meldet, und dabei erzählt, dass die Coronazeit motiviert hat, persönlich das Meditieren wieder zu praktizieren.

Der zweite Schwerpunkt meiner Aufgabe, die seelsorgerliche Begleitung von Menschen, insbesondere in Zeiten der Trauer, ist momentan durch die Kontakteinschränkung stark betroffen. Freilich gibt es trotzdem Kommunikationswege, die auch eine geistliche Begleitung oder ein Trauergespräch möglich machen. Durch das Veranstaltungsverbot findet das praktisch bei mir bisher vornehmlich nur mit Menschen statt, mit denen ich schon vor Corona im Kontakt war.

Den Wert, die Verbindung zu halten, darf man – glaube ich – nicht unterschätzen. Da ist jemand, der um mich weiß. Da ist jemand, bei der ich mich jederzeit melden kann, wenn ich will. Da ist jemand, wo ich anknüpfen kann, wenn die eigene Perspektive nur noch im Kreis dreht…

Auch hier freut es schon sehr, wenn jemand am Ende eines Telefonats ausdrückt, dass er/sie innerlich eine Hürde genommen hat und sich erleichtert fühlt und Mut hat zum Weitergehen; oder von einer Trauernden zu erfahren, wie weise sie in den Coronabedingungen Ihrem Alltag eine Struktur gegeben hat und Formen für Sozialkontakte gefunden hat.