Moment mal: Trost

Friedenstaube in den Domitilla-Katakomben
Wikicommons Dnalor 01 / CC BY-SA
 
Es war einer dieser Momente, von denen man später gar nicht mehr genau sagen kann, was jetzt wirklich so schlimm war – aber das war ja  nun auch völlig egal: der Tag war schon im Eimer, ganz und gar wertlos. Dabei sollte es doch ein so schöner Tag werden!

Das Mädchen weinte bitterlich, und alles in ihr kämpfte: alles an ihr schüttelte sich vor Verzweiflung, und je mehr sie versuchte, sich endlich in Griff zu bekommen und eben nicht mehr zu weinen, desto heftiger flossen die Tränen.

"Bevor wir an irgendwas anderes denken, müssen wir doch erst einmal deine Tränen trocknen", versuchte ich sie zu trösten. Ich setzte mich neben sie auf die Couch. Aber sie wollte mich nicht umarmen, wie sonst so oft.

"Ich will nicht", schüttelte sie den Kopf. Es zerriss mir das Herz, aber: Zum Trösten gehört das Getröstet-werden-wollen.

Trost, das ist mehr als Tränen trocknen und Schmerz lindern. Trost bedeutet ursprünglich die (innere) Festigkeit – und wenn jemand "nicht ganz bei Trost" ist, dann fehlt ihm genau diese Festigkeit: dann ist er oder sie aus dem Lot, aus dem Gleichgewicht – nicht in der Mitte.

Wer tröstet, gibt Halt. Dazu braucht es Wurzeln, dazu braucht es Kraft. Trost ist ein Versprechen im Hier und Jetzt: Ich bin da, ohne Wenn und Aber.

Wer aber ver-tröstet, der zuckt im Grund nur die Schultern: "Wird schon wieder..." Es ist feig. Es ist Falschmünzerei.

"Komm, Schöpfer Geist" – es ist eines meiner Lieblingslieder: und schon die zweite Strophe hat unglaubliche Sprengkraft (die natürlich niemand merkt, wenn man das brav singt):

"Der du der Tröster wirst genannt".

Schonmal drüber gestolpert?

Der Schöpfer – der Creator, die göttlich kreative Kraft – wird zum Tröster: nicht als Tränentrockner, sondern als Haltgeber, als Fundament für Schöpfungen. Als das wunderbare Versprechen: Ich bin da. Und ich gehe nicht weg.

Es ist ein Pakt, für den auch die Friedenstaube in den Domitilla-Katakomben in Rom steht: ein neuer Bund.

Nach ein paar Minuten hat sie sich einen Ruck gegeben und ist auf meinen Schoß gekrabbelt, hat mich umarmt, wir haben ein wenig gemeinsam geweint. Und dann wurde es doch noch ein wunderschöner Tag.

(Clemens Prokop)