Moment mal: Druck rausnehmen

Dampfmaschine, ungeputzt
Um ehrlich zu sein: Dampfmaschinen kenne ich nur aus der Feuerzangenbowle und die vielbeschworene Dampfbahnromantik auch bloß in solider Märklin-Ausführung.

Wir leben im Zeitalter mühelos schnurrender Teslas und wahnwitziger Internetgeschwindigkeiten, und trotzdem sage ich total altmodisch: "Bei uns dampft's", wenn es wieder so richtig hoch her geht – ironischer Weise sind das dann meistens Phasen, in denen es keineswegs "rund läuft", sondern wo's raucht und pfeift und zischt und scheppert.

Sagt man das überhaupt noch: "Mach mal n bisschen Dampf" wenn man meint: Geht das möglicherweise und bitte auch etwas schneller?

In meinem täglichen Leben arbeiten zwei Dampfmaschinen, die mich immer wieder aufs Neue faszinieren: Was wären wir Hausfrauen ohne die segensreiche Erfindung des Dampfkochtopfs? Und was wäre ich ganz persönlich ohne die Cappuccinomaschine? Das morgendliche Klacken nach exakt sieben Minuten, sobald sie den Betriebsdruck erreicht hat, ist ein Klang der Verheissung: Der Tag kann beginnen.

Druck ist was Tolles. Ohne Druck geht's nicht – dann ist buchstäblich die Luft raus. Druck macht mich erst arbeitsfähig.
Zuviel Druck ist etwas Schreckliches. Das belastet die Struktur, überhitzt, ist saugefährlich. Ein unbedachter Handgriff – und bumm! Eine Zeitbombe.

Ich vermute, dass viele Menschen, wenn sie über den Druck in der Arbeit klagen, gar nicht an die Dampfmaschine denken, sondern eher das Bild vom Joch im Kopf tragen: eine Last, die auf den Schultern drückt. Eine Be-Lastung.

Wenn bei mir der Druck zu groß wird, kann ich mich auf eine liebe Freundin verlassen, die mich dran erinnert: "Nimm doch Druck raus, dann geht's dir besser."

Ich ärgere mich dann immer über mich selbst: Warum ist aus uns erwachsenen Menschen der Irrglaube nicht rauszukriegen, dass viel auch viel hilft?

Meine kluge Freundin sagt in diesen Momenten immer: "Das ist doch ganz einfach. Das Auto fährst du doch auch nicht im roten Bereich. Warum machst du das dann bei dir selbst?"

Über diesen Spruch grummle ich noch mehr, weil sie ja so Recht hat.

Der Dampfkochtopf hat's gut. Der hat ein zuverlässig funktionierendes Überdruckventil.

Und bei der Cappuccinomaschine sorge ich selbst immer wieder liebevoll für Entlastung, wenn ich mir noch eine Dosis Koffein gönne.

(Clemens Prokop)