Die Kunst der Stunde: Planen

1:150.000 (via Pixabay)
Eigentlich wollte ich diesen Text bereits am Anfang der Woche veröffentlichen. Aber wie das Leben so spielt: Dann kam doch wieder alles anders.

Immer wieder muss ich amüsiert daran zurückdenken, wie dieser Blog eigentlich entstanden ist.

Es fühlt sich heute an, als wäre es eine ferne, fremde Zeit gewesen: Als wir uns plötzlich in einem seltsamen Paralleluniversum wiederfanden.

Und die Frage, die sich damals alle stellten, war: Was nun?

Ich mag das, in den frühen Einträgen zu stöbern. Sie dokumentieren ein verwirrtes Herantasten an eine neue Wirklichkeit. Ach was: Neue Wirklichkeiten waren das – der Plural ist nicht übertrieben.

Mir ist das auch deshalb noch so präsent, weil wir unmittelbar vor den Endproben eines wichtigen Projektes standen. Zwei Jahre lang hatten wir daran gearbeitet. Die Situation veränderte sich von Stunde zu Stunde; das Hoffnungslevel hing davon ab, mit wem man gerade sprach.

Ganz egal, eine Stunde später sah sowieso alles wieder ganz anders aus.

Um die Inszenierung – vielleicht – zu retten, war ich eine schlaflose Woche damit beschäftigt, erst Plan B zu erfinden, dann Plan C und gleichzeitig D. Irgendwo in der zweiten Hälfte des Alternativ-Alphabets habe ich aufgehört mitzuzählen. 

Der Lockdown war für mich eine Erlösung. Endlich bereitete er diesem irren Catch-me-who-can-Planspiel ein Ende.

Ich erinnere mich gut an die Gespräche dieser Zeit, und man kann ähnliches in den Blog-Beiträgen der anderen nachlesen: Alles kreiste um die erstaunte Feststellung, wie fragil dann doch die soziale Welt ist, in der wir leben. Wie trügerisch die Freiheit, die wir so locker flockig nehmen. Die Alltagsabläufe, ob lieb gewonnen oder verhasst, die vielen scheinbaren Selbstverständlichkeiten...

...aber solange die allergrößte Sorge ist, ob der Familienurlaub in gewohnter Form stattfinden kann, ist ja alles in Butter.

Das Selbstmitleid kennt keine Grenzen, weil wir in der gemütlichsten aller Wohlstandswelten plötzlich ahnen, dass sich doch nicht alles so smooth durchstylen lässt. In diesem Wissen sind uns nur ein paar Milliarden Mitmenschen voraus – von den Erfahrungen der vergangenen Jahrtausende ganz zu schweigen.

Nebenbei bemerkt: Die Gotteserkenntnis der Bibel wächst aus exakt solchen Erfahrungen einer gestörten Realität. Aber was, bitteschön, ist christliches Denken anderes als "disruptive thinking" par excellence?

Corona ist für mich eine wichtige Lektion. Ich weiss jetzt, es gibt nicht den geringsten Grund, meine Anliegen und Ziele aufzugeben, meine Werte, Träume und Hoffnungen für eine gerechtere Welt. Denn sie sind der Schlüssel für das Gelingen meines Lebens.

Über meine Pläne allerdings denke ich jetzt viel genauer nach – vor allem dann, wenn sie mir besonders klug und ohne Alternative scheinen. Sie beschreiben ja nur Teilstrecken auf dem Weg.

"Geschmeidig bleiben!", heisst der Kalenderspruch der Stunde. Oder, die brandneue Erkenntnis mehr aufs Ziel hin formuliert:

Viele Wege führen nach Rom.

Bleibt die spannende Frage, ob es denn der komplette Weltuntergang wäre, unverhofft nicht doch in Florenz zu stranden.

(Clemens Prokop)