Die Kunst der Stunde: Höhenflüge

Teebeutelflieger (via Pixabay)
Der größte Traum der Menschheit passt ja heutzutage problemlos in einen Rucksack. Es sind ein paar Quadratmeter Stoff, zu einem handlichen Paket gefaltet. Ich muss sie nur auf einer Wiese auslegen, und mit dem richtigen Wind von vorne... ein paar besonnene Schritte, und schon trägt mich warme Luft in die Höhe.

Frei wie ein Vogel. Naja, fast wenigstens.

Manche Menschen glauben irrtümlich, Gleitschirmflieger stürzen sich harakirimäßig in die Tiefe. Ganz im Gegenteil, habe ich beim Fliegen doch Umsicht und Vorsicht gelernt. Ich nehme meine Um-Welt seither völlig anders wahr.

Das Fliegen hat mir die Augen geöffnet.

Für die Bewegung der Wolken, ihre Struktur und Form. Für die Klugheit der Vögel und ihre Effizienz: Wie unglaublich weit die kommen, ohne einmal mit den Flügeln flattern zu müssen... Für die kleinen, aber entscheidenden Anzeichen: das weiche Wogen der Wiesen, Samenfäden in der Luft, Rauchfahnen und die Staubschleppen der Traktoren.

Die Luft, in der wir uns bewegen, steht ja nicht still. Sondern ist ein hochdynamisches System, das ich nicht sehen kann, sondern erspüren muss. Ich habe ja leider keine Verkehrsschilder, nach dem Motto: Zum Aufzug bitte dort entlang.

Wenn man unten im Gras sitzt und den bunten Schirmen zusieht, wirkt alles so ganz einfach.

Dabei ist das manchmal ein ganz schönes Kämpfen. Ein Kratzen am Hang. Ein Hoffen auf den dringend nötigen Aufwind. Mühsam piepst das Variometer, und man muss schon dankbar sein, wenn man die Höhe grade so halten kann.

In diesen Momenten ist es besonders frustrierend, einen Blick zu den Kollegen zu riskieren: Die fliegen 200 Meter über mir, haben die Thermik für sich gepachtet und schrauben sich sorgenfrei in den Himmel...

Und ich armer Tropf? Klebe hier unten im Tal der Elenden und komme von dort nicht weg. Das Leben ist ganz schön ungerecht.

Die Versuchung ist in diesen Momenten immer groß, gleich zu den anderen zu fliegen. Aber die Lektion, die ich heute teilen möchte, die ist super simpel. Und sie heißt: vergiss es.

Bis ich dort bin, ist der Aufwind längst weg. Vielleicht war er sogar nie da, jedenfalls nicht hier unten bei mir.

Ich kann mir noch so sehr wünschen, auch dort oben mitzufliegen, ich muss meinen eigenen Ausweg finden. Sobald ich versuche, auf direktem Weg zu ihnen zu fliegen, dann habe ich die Garantie, sehr bald ganz am Boden zu stehen.

Vom Fliegen fürs Leben lernen heißt: Man muss die kleinen Zeichen lesen. Und konsequent seinen eigenen Weg verfolgen.

(Clemens Prokop)